Sport und sexuelle Gewalt

[K]ein Tabuthema – Sport und sexuelle Gewalt

Wieder soll ein Trainer Kinder sexuell missbraucht haben. Diesmal ein Volleyball-Trainer, der in Wien und Niederösterreich tätig war. Im VC St. Johann wird das Thema Sport und sexuelle Gewalt nicht unter den Tisch gekehrt. Man spricht über Massnahmen gegen sexuelle Übergriffe und für Respekt & Sicherheit im Sport.

Die Polizei ermittelt

Mindestens zehn Jahre lang soll der Volleyballtrainer das Vertrauen der jungen Spielerinnen ausgenutzt haben. Der 60-jährige Verdächtige befindet sich in Untersuchungshaft, da ihm mehrfacher schwerer sexueller Missbrauch, die Herstellung von Kinderpornografie und Missbrauch eines Autoritätsverhältnisses vorgeworfen werden. Im Sportverein soll niemand etwas davon geahnt haben.

Wie konnte er so lange unentdeckt bleiben? Und welche Konsequenzen können gezogen werden, damit der Ruf des Sports keinen Schaden nimmt?
Übliche Taktik: Unter den Tisch kehren?

Das Tabuthema

Im Sport spricht man über Sieger, nicht über Opfer. Sexualdelikte sind ein Tabu. Sexistische Sprüche, Grabscher, unerwünschte Küsse: Auch in der österreichischen Sportlandschaft sind sexuelle Übergriffe verbreitet, aber anders als etwa in Deutschland nicht zahlenmässig dokumentiert. Doch auch da wo dokumentiert wird,  wird wie in Österreich meistens eisern geschwiegen.

Randnotizen

Ans Licht, doch eher als Randnotizen, kommen meistens nur die schweren Fälle. Ein 48-jährige Wiener Trainer etwa, der vergangenen Sommer zu mehrmonatiger Haft verurteilt wurde. Ein 61-Jähriger Coach aus Oberösterreich, der 2014 schuldig gesprochen wurde. Sie hatten jeweils Mädchen unter zwölf Jahren missbraucht. Ein Doppelolympiasieger steht unter Missbrauchs-Verdacht.

Bedauerliche Einzelfälle?

Nein! Aber erst jüngere Fälle haben zu Outings von zahlreichen prominenten Athleten und Athletinnen geführt. Zum Beispiel ein Missbrauchs-Skandal im kanadischen Ski-Team, der erst 20 Jahre später von einer ehemaligen Rennläuferin angezeigt wurde. Elf weitere Opfer schlossen sich der Anzeige an.

Die Vorwürfe von Ex-Fußballprofi Andy Woodward in England. Er hatte seinen Jugendtrainer öffentlich des Missbrauchs beschuldigt. Darauf meldeten sich rund 350 ehemalige Spieler bei der Polizei, um von Übergriffen durch Betreuer und Scouts zu berichten.

Das zeigt auch, dass keineswegs nur Mädchen und Frauen betroffen sind, sondern dass auch Buben und Männer Opfer sind. Auch Übergriffe unter Team- und Clubmitgliedern kommen häufiger vor als man in der Öffentlichkeit vielleicht annimmt.

Was wird unternommen?

Welche Massnahmen ergreifen die Verbände um Kinder, Jugendliche –  überhaupt alle Menschen – im Sport vor Übergriffen zu schützen? Verpflichtende Richtlinien zur Prävention von sexuellem Missbrauch gibt es im österreichischen Sportsystem nicht. Die Vertreter der Bundessportorganisations-Verbände haben 2015 eine grundsätzliche Erklärung zur Prävention und Aufklärung unterschrieben. Nennenswerte Resultate blieben bislang aus.

Selbst Initative ergreifen

Um als Sportbetreuer mit Minderjährigen arbeiten zu dürfen benötigt man keine Vorlage der Strafregisterbescheinigung. Einschlägige Vorstrafen können somit nicht ausgeschlossen werden. Eine Ausnahme ist der Österreichische Fußballbund. Im Schwimmverband arbeitet man daran.

Deshalb ist es dem VC St. Johann sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass dieses Thema im Führungs- und Betreuerstab kein Tabu ist und mit den Spielerinnen & Spielern und last not least den Eltern klar besprochen wird.

Sport und sexuelle Gewalt: Aufklärung & Information

Es gibt eine Anfang 2017 erschienene Info-Broschüre für die Vereine – von der Prävention bis zum Anlassfall und eine Arbeitsgruppe, die Aktionspläne erstellt. Der VC St. Johann wird sich mit Expert*innen austauschen, um mit allen im Club über sexuelle Gewalt im Sport offen und fundiert zu kommunizieren. Dazu wird ein eigenes Kommunikationsteam aufgestellt, das für Fragen und Hilfe gerüstet ist. Denn in Organisationen, in denen man darüber redet, gibt es signifikant weniger Fälle von sexuellen Übergriffen.

Darüber reden als wirkungsvollste Massnahme

Jede Spielerin, jeder Spieler, die/der sich sexuell belästigt oder gar von Gewalt bedroht fühlt, gestalkt wird – auch im Web oder via Handy – und Eltern, die sich Sorgen machen, können sich vetrauensvoll an eine(n) persönliche(n) Ansprechpartner*in des Kommunikationsteams wenden. Gegebenfalls werden Expert*innen hinzugezogen um eine Ansprechperson anzubieten, für die das Thema zum Beruf zählt  und der Umgang mit Betroffenen professionell ist.

n.werdenigg

Nicola Werdenigg-Spieß ist Online- und Kommunikations-Beraterin für den VC St. Johann. Als Journalistin, ehemaliges Mitglied im National- und Olympiateam des österreichischen Skiverbands und Vorstandsmitglied des internationalen Ski-Athleten Netzwerks, setzt sie sich seit vielen Jahren mit dem Thema sexuelle Gewalt im Sport intensiv auseinander. Sie wird ihre Erfahrung und Mitarbeit in das Kommunikationsteam zur Aufklärung und Prävention im Club einbringen.

Quellen:
Schutz vor sexualisierter Gewalt im Sport – BSO
Studie der Deutschen Sporthochschule Köln – Sexuelle Gewalt auch im Sport verbreitet – Spiegel Online
Sexueller Missbrauch: Sport unter Zugzwang – News
Volleyballtrainer soll mehrere Kinder missbraucht haben – APA

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